Laut einer Umfrage des Digitalverbandes Bitkom vom Januar 2021 landen in jedem beruflichen E-Mail-Postfach in Deutschland täglich durchschnittlich 26 E-Mails. Obwohl die E-Mail in regelmäßigen Abständen totgesagt wird, nimmt das Aufkommen beständig zu. Ganze Wirtschaftszweige, beispielsweise der Online-Handel, kommunizieren mit ihren Kunden und Kundinnen überwiegend über diesen Kanal. Die Bearbeitung und Beantwortung all dieser Mails ist ressourcenintensiv, denn im Unterschied zu Spam-E-Mails, die mit großer Zuverlässigkeit automatisch erkannt und aussortiert werden, erfolgt sie in der Regel noch manuell.
Schwierigkeiten der Automatisierung der E-Mail-Verarbeitung
Das Problem mit den E-Mails: Es handelt sich um so genannte semistrukturierte Daten. Zwar erscheinen Teile wie Absender, Empfänger, Betreff in strukturierter Form, also immer an der gleichen Stelle und im gleichen Format, und können beispielsweise mittels Algorithmen verarbeitet werden. Der eigentliche Inhalt im Body sowie viele Anhänge aber sind unstrukturiert und damit für eine automatisierte Bearbeitung unbrauchbar. Künstliche Intelligenz hat das geändert; aktuelle KI-Technologien können E-Mails samt Anhängen mittels semantischer Analysen auch inhaltlich „verstehen“ und schaffen dadurch die Basis für die maschinelle Verarbeitung.
Hoher Aufwand für die E-Mail-Bearbeitung
Viele Unternehmen arbeiten für Kundenanfragen mit einem zentralen Mail-Postfach. Die dort eingehende elektronische Post unterschiedlichen Inhaltes und gegebenenfalls auch in unterschiedlichen Sprachen wird manuell gesichtet, inhaltlich eingeordnet, also klassifiziert und an die für das Anliegen zuständige Abteilung weitergeleitet bzw. in ein Ticket-System übergeben. Dabei können sich die mit der Sichtung Befassten nicht darauf verlassen, dass Betreff, Inhalt und Anlagen der Nachricht übereinstimmen, sie müssen also jede Mail öffnen und lesen und eine Mail gegebenenfalls an mehrere Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen weiterleiten.
Weiterhin erfolgt die Bearbeitung der eingehenden Nachrichten in der Regel chronologisch. So hängen Bestellungen mit allen anderen Mails in der Bearbeitungsschlange, obwohl möglichst kurze Lieferzeiten im eCommerce geschäftsentscheidend sind. Aber auch bei anderen dringlichen Anfragen können Wartezeiten zu Verärgerung bei den Kunden und zu Imageschäden führen. Sollen Mitarbeiter bei der Beantwortung wiederkehrender Anfragen entlastet werden, bedeutet das im besten Fall, dass vorgefertigte Texte in umfangreichen Listen manuell gesucht, kopiert und in das Antwortschreiben eingefügt werden, damit nicht jede Antwort auf Standard-Anfragen individuell erstellt werden muss.
Automatisierte Bearbeitung mit Künstlicher Intelligenz
Der erste Schritt bei einer KI-gestützten E-Mail-Bearbeitung ist die Klassifizierung der Nachrichten und Anhänge, die Zuordnung zu vom Unternehmen vorgegebenen Kategorien wie Bestellungen, Verträge, Preisanfragen, Adressänderungen, Reklamationen etc. anhand individuell bestimmbarer Attribute. Die Mails werden anschließend automatisch in die entsprechenden vordefinierten Postfächer einsortiert. Betrifft eine E-Mail mehrere Vorgänge, wird sie mehrfach auf die passenden Postfächer verteilt.
Über die Sichtung und Verteilung hinaus können weitere Arbeitsschritte automatisiert stattfinden. So können Daten auf Richtigkeit überprüft oder auch mit im System vorhandenen Daten angereichert werden. Zur Korrektur oder Vervollständigung werden sie an die entsprechenden Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen weitergeleitet, wenn nicht sogar Software-Funktionen die Stammdaten automatisch updaten. KI-gestützte Mailbearbeitungsprogramme verschicken automatisch individualisierte Eingangsbestätigungen, schlagen den Bearbeitenden für die Antwort Textentwürfe vor oder beantworten einfache Fragen automatisiert. Über Schnittstellen lassen sich die Daten aus den Mails in ERP- oder CRM-Systeme übernehmen oder in nachgelagerte Lösungen für Robotics Process Automation für Arbeitsschritte mit identischem Ablauf.
Fazit
KI-gestützte Lösungen für die Bearbeitung von E-Mails und für automatisierte Folgeprozesse sparen Unternehmen Zeit und Kosten und senken die Fehlerquoten im Vergleich zur manuellen E-Mail-Bearbeitung. Da der Großteil aller Mails einfache Standard-Sachverhalte betrifft, die automatisiert abgearbeitet werden können, entlasten sie die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ganz erheblich. So bleibt ihnen mehr Zeit für die Beantwortung komplexerer individueller Anliegen.
Sobald KI im Spiel ist, können Informationen auch unter Aspekten ausgewertet werden, die über die eigentlichen Anliegen in den Mails hinausgehen. Mit der Analyse der Nachrichten unter unterschiedlichen Gesichtspunkten können Unternehmen beispielsweise frühzeitig Trends und Entwicklungen aufspüren, die beispielsweise die Akzeptanz von Produkten und Services durch ihre Kundschaft betreffen. Die Ergebnisse lassen sich für Optimierungen in unterschiedlichen Unternehmensbereichen nutzen.